„So traurig“: Corona und der Junior-Schatz

Viele Unternehmen sind von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Sie müssen die Grundlagen ihrer Existenzen, seien es Hotels, Pensionen,  Cafés, Läden in Fußgängerzonen,  auf bisher noch unbestimmte Zeit schließen. Wissen oft nicht, wie es weitergehen soll. Doch es gibt auch  Sonderfälle. Die,  die in keine Kategorie ein zu ordnen sind, die in keine Schublade passen. Und die deshalb umso mehr betroffen sind,  weil das, was momentan gerade wie ein wirtschaftlicher Tsunami über das Land fegt, sie besonders hart trifft. Weil sie nicht wie andere ein ganzes Jahr, sondern bestenfalls eine Saison von ein paar Monaten haben, um ihre Bilanzen zu retten. –  Ein Besuch in Deutschlands größtem privatem Flugzeugmuseum in Hermeskeil, gelegen im Dreieck zwischen Trier, Saarbrücken und Luxemburg.

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„Das ist das erste Mal seit 47 Jahren, dass wir an Ostern geschlossen haben. Traurig, sehr traurig.“ Die Stimme von Astrit Junior verrät eine Mischung aus Niedergeschlagenheit, Zweifel, und zum Teil auch Ungläubigkeit über das, was sie und ihre Familie da gerade erleben.  1973 hatte ihr Schwiegervater Leo Junior eine private Flugausstellung am westlichen Rand der Republik eröffnet. Sein Sohn Peter führt  das Familienunternehmen heute mit Angestellten und Mitarbeitern fort.

Längst hat das Museum, offiziell die „Flugausstellung Junior“, Alleinstellungs-Charakter zwischen Flensburg und Garmisch.  Auf einem 76.000 Quadratmeter großen Außengelände und in vier Hallen stehen über 100 Exponate.  Maschinen  aus ziviler und militärischer Luftfahrt über Jahrzehnte hinweg von unschätzbarem Wert.  Von der Super Constellation, der „alten Tante Ju 52“, über Saab Viggen aus Schweden, einer VC 10 aus Abu Dhabi bis hin zu der Lufthansa-Maschine, mit der der damalige Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer 1955 die letzten Kriegsgefangenen aus Russland heimholte.

Juniors und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ein Saisonbetrieb. Von Anfang April bis Ende Oktober ist geöffnet. Sieben Tage in der Woche.  Die Zahl der Besucher in diesem halben Jahr ist sechsstellig. Busgesellschaften aus den Benelux-Ländern, aus  Skandinavien, geben sich die Türklinke in die Hand. Viele von weit  angereisten Privatpersonen sind schon zum „x-Ten Male“ dort gewesen. Denn Peter Junior, bestens vernetzt in der Szene, achtet darauf, dass das einzigartige Museum immer wieder erweitert, erneuert, mit zusätzlichen Exponaten up to date  gehalten wird.

„Wir sind ein reines privat-wirtschaftliches Unternehmen, bekommen keinerlei Subventionen. Wir leben von dem und halten unsere Flugausstellung mit dem am Leben, was wir in sechs Monaten Tag für Tag erwirtschaften“, erklärt Junior. Was nicht heißt, dass er, seine Frau, seine beiden Töchter, die restliche Zeit des Jahres „auf der faulen Haut“ liegen.  Denn:  Mehr als 100 Flugzeuge, dazu unzählige Exponate wie Motoren, Zubehör aus der Luftfahrtgeschichte. Die Hallen und Außenanlagen.  Das muss ständig gepflegt werden, da gibt es immer wieder etwas zu reparieren, instand zu setzen.“  Auch und vor allem in einem der Highlights des Museums, dem 150 Personen fassenden Café in der großen Concorde am Eingang. Ein Relikt aus der Dino-Saurier-Geschichte der zivilen Luftfahrt.

„Als es darum ging, welche Unternehmen, welche Geschäfte wegen der Corona-Krise schließen mussten und welche weiterhin geöffnet haben durften, konnte uns niemand, keine Behörde, einordnen. Ich habe überall herum telefoniert, um eine Auskunft zu erhalten“, schildert Astrit Junior die Tage, in denen sie versuchte, die Existenz-Grundlage eines einzigartigen Unternehmens und der Menschen, die daran hängen, zu sichern. Auf dem weitläufigen Gelände der Ausstellung wäre es ein Leichtes gewesen, den geforderten Mindestabstand ein zu halten, Kontakten aus dem Weg zu gehen. „Man hätte die Anzahl der Besucher limitieren, beschränken können. Aber ganz schließen? Warum?“ Eine Flugausstellung mit diesen Ausmaßen findet man halt nicht in jeder Fußgängerzone. Also wurde „vorsichtshalber“ mal per Dekret die Schließung verordnet.

Die Juniors sind nicht nur Luftfahrt-Verrückte, sondern auch Freunde wunderbarer gut erhaltener Automobile. Zeitzeugen der Auto-Industrie neben denen aus der Luftfahrt. „Die Idee, die dahintersteckt, war zu zeigen, was die großen Unternehmen der Luftfahrt in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg taten, als die Produktionen von Flugzeugen vonseiten der Siegermächte noch verboten war“, erklärt Peter Junior, seine Bemühungen, seinen Luftfahrt-Exponaten auch noch seltenes „Garagengold“ zur Seite zu stellen. „Das hat mich abgesehen von der finanziellen Investition über viele Monate hinweg viel Recherche-Arbeit gekostet“, erzählt der 57jährige.

So zieren jetzt ein Messerschmitt Kabinenroller von 1955, ein „Heinkel Tourist Roller“ und eine BMW Isetta die Hallen des einzigartigen Museums. Die Isetta hat Junior aus Dänemark importiert. Gefunden hat er sie allerdings auf der „Interclassics“ des vergangenen Jahres in Maastricht (NL). „Du musst vor allem Netzwerker sein, wenn Du so etwas am Laufen halten willst“,  verrät Junior das Geheimnis seiner ständig sich verändernden Ausstellung.

Das war noch vor Corona gewesen, bevor die Juniors das große Gittertor neben der Concorde schließen mussten. „Wir hoffen, dass wir sobald wie möglich wieder öffnen können. Die Schäden sind immens“, wissen beide. Der einzige Trost: Bei schönem Wetter bleibt etwas mehr Zeit als sonst für Carlotta. Der offene VW Käfer der Familie Junior, ist der einzige Nutznießer der Corona-Krise. Und seine Insassen sind es – zumindest für eine begrenzte Anzahl von Zeit – dann auch.