Rückspiegel: Unsere (leicht) melancholische Wochenschau

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

Tracktest Adam R2 24 03 2014 09 kennen Sie Trollhättan? Nicht wirklich, also nicht durch Besuche dort, meine ich jetzt. Einfach nur den Begriff, den Namen? Für Schweden, – und dieses Land ist für uns ja nun einmal nicht gerade aus der Welt, – hat Trollhättan die gleiche Bedeutung, den gleichen Wiedererkennungswert einer Nation, wie etwa das kultige Möbelhaus Ikea oder Kinderstar Pippi Langstrumpf. Mitten in der schwedischen Provinz, in eben jenem Trollhättan ist das Stammwerk des Autobauers Saab beheimatet.

Saab, das war einmal gemeinsam mit Volvo der Stolz der nordischen Automobil-Industrie. Autos, die gegen den Mainstream schwammen (pardon fuhren), die etwas für Individualisten waren. Fahrzeuge, die manchmal wie ein wenig aus der Zeit gefallen wirkten. Liebenswert, ein wenig schrullig vielleicht, aber auch auf jeden Fall weit weg vom Einheitsbrei der Gestaltung und damit auf jeden Fall erhaltenswert.

Doch Saab ging es schon vor vielen Jahren nicht mehr richtig gut. Im gleichen Zuge wie die Produktionskosten stiegen, sanken die Verkaufszahlen. Das konnte nicht ohne Folgen bleiben. Bis Anfang 2010 gehörte Saab zu General Motors und wurde danach vom kleinen niederländischen Sportwagenbauer Spyker übernommen. Was aber auch nicht wirklich weiter half. Schon Ende des folgenden Jahres musste das Haus Insolvenz beantragen. Im Juni hatte ein chinesisch-japanisches Konsortium mit Namen National Electric Vehicle Sweden (NESV) die Marke übernommen.

Die neuen Inhaber, so eine Pressemitteilung in dieser Woche, sind jetzt laut Radio Schweden (SR) zahlungsunfähig. Mehrere Millionen Euro schulde man verschiedenen Lieferanten. Die Produktion in Trollhättan ist bereits zu großen Teilen zum Erliegen gekommen, nachdem sie erst Ende 2013 nach rund zweieinhalb Jahren Stillstand wieder aufgenommen worden war. Für dieses Jahr war noch der Bau eines Elektro-Fahrzeuges auf Basis des ehemaligen Volumenmodells Saab 9-3 angekündigt wurde. Ein Fahrzeug, das hauptsächlich in China vertrieben werden sollte.

Aber es war wohl nur ein aussichtsloses Ringen einer ehemaligen Kultmarke mit dem endgültigen Aus. Vor einem schwedischen Amtsgericht ist in diesen Tagen der Konkurs dieses ehemaligen Prestige-Unternehmens beantragt worden. Für 600 Mitarbeiter bedeutet das den Verlust ihrer Arbeitsplätze. Für die Automobil-Geschichte das Ende einer klassischen, sehr individuellen Marke mit einem ganz besonderen Charme.

Als Freund schwedischer Kriminalromane von Henning Mankell und deren Verfilmungen um den ermittelnden Kommissar Kurt Wallander war es mir immer ein besonderes persönliches Vergnügen, anhand der kleinen Filmsequenzen einen Rückschluss auf Wallanders Dienstfahrzeug zu ziehen. Es waren in der Regel eine jener klobigen Kisten vom Schlage eines 9-5 oder auch eines 9-3 Aero. Automobile, die einen eigenen Charakter besaßen, die nicht als massenhaft produzierte Alltagsware auf den Markt geworfen wurden.

Jetzt ist der „Fall Saab“ endgültig abgeschlossen. Wenngleich auch nie geklärt, warum es so weit gekommen war. Das hat auch Kommissar Wallander nicht verhindern können.

Ihr Jürgen C. Braun