Rückspiegel: Unsere (leicht) satirische Wochenschau

Liebe Leserin, lieber Leser

Tracktest Adam R2 24 03 2014 09eigentlich bin ich nicht das, was man im Allgemeinen einen Morgenmuffel nennt. Früh aus den Federn zu steigen macht mir nichts aus, zumal man dann die ersten Dinge des neuen Tages mit Muße und nicht schon unter dem unbarmherzigen Diktat des Sekundenzeigers erledigen kann. Wenn ich nicht gerade beruflich unterwegs auf Terminen bin, bevorzuge ich in der Regel  nach der Morgentoilette eine eher lässige Alltagskleidung für den Büro-Job. Was, ehrlich gesagt, noch wohl wollend formuliert ist. Denn oft müssen noch die von leichtem „Hochwasser“  gezeichneten Jeans vom Vortag  wieder als Beinkleid herhalten, weil sie eher zufällig als Erste greifbar waren. Als letzter Schrei der Mailänder Modewoche, das gebe ich gerne zu,  würden  die Dinger  auch nicht gerade durchgehen.

Derlei  Ignoranz stilvoller Alltags-Erscheinung hat mich aber bis heute zumindest davor bewahrt, einen fatalen Fehler beim korrekten Binden eines makellosen doppelten Windsor-Knotens zu begehen. Was andererseits auch sehr bedauerlich ist, wird  mir aufgrund dieser Unkenntnis doch der Zugang zu einer sehr exklusiven Berufssparte auf immer und ewig verwehrt bleiben. Denn nur, wer mit eben jenem Utensil des männlichen Halsschmucks vertraut ist, verfügt über eine der unbedingt notwendigen Grund-Eigenschaften, um sein Leben als Chauffeur eines Rolls-Royce fristen zu dürfen.

Das nämlich geht aus dem „Exerzierplan“  eines eintägigen „White-Gloves-Trainigs“ („Weißes-Handschuh-Training“) hervor, das die britische Nobelmarke seit Kurzem anbietet, um die Wagenlenker ihrer Herrschaften angemessen  zu kutschieren. Mit Kunst und Können, einen Rolls Royce zu fahren, oder vielleicht sogar ein Rad an einem „Silver Ghost“ wechseln zu können, hat dieses Training weiß Gott nichts zu tun.

Es geht einzig und allein um das korrekte Auftreten des Probanden, wie ein Kollege, der dieses Training am eigenen Leibe erfahren durfte, sehr anschaulich beschreibt.  Was schon mit dem Zeitpunkt des Erscheinens an der edlen Karosse beginnt: „Wenn der Chauffeur pünktlich ist, ist er schon zu spät. Er sollte drei Minuten früher parat stehen“, erläutert der Ausbilder. Denn nur so könne er sicher sein, den Herrschaften den Schlag mit der weiß behandschuhten rechten Hand  auch dann korrekt öffnen zu können,  wenn diese vielleicht etwas früher als vereinbart einträfen.

Nein, keine Bange, ich möchte jetzt nicht das gesamte Pflichtenheft eines potenziellen Rolls-Royce-Chauffeurs hier aufzählen. Nur auf einen Hinweise möchte ich doch vermerken, wird doch hier Ehre zuteil, wem Ehre gebührt. Nach dem Verstauen der Koffer im Gepäckabteil , hat der Fahrer auf dem Weg zum Steuer einen bestimmten Weg ein zu halten. „Er schreitet“, so der zitierte Ausbilder Andrew McCann, „nur entlang des Hecks. Und zwar aus Respekt vor der Spirit-of-Ecstasy-Statue, die sich auf der Motorhaube eines jeden Rolls Royce befindet.“

Sie meinen jetzt (wieder einmal): „Die spinnen, die Engländer?“ Nun, ich möchte nicht versuchen, Sie von diesem  Meinungsbild ab zu bringen. Vielleicht haben Sie ja wirklich nicht so ganz unrecht. Ich weiß nur eines: In der Regel achte ich nicht darauf, ob ich um das Heck oder die Motorhaube eines Fahrzeugs „schreite“, bevor ich die Tür ins Schloss fallen lasse. Das ist ist mir eigentlich ziemlich egal. Vielleicht sollte ich statt dessen eher mal darauf achten, eventuelle „Hochwasser-Hosen“ aus dem Verkehr zu ziehen, als mir über den Weg zur Fahrertür Gedanken zu machen.

Wenn ich schon keinen doppelten Windsor-Krawattenkonten binden kann.

Ihr Jürgen C. Bran