„Grüne Hölle 2020“: Die Formel 1 ist passé

Vor mittlerweile fast sieben Jahren, genauer gesagt  2013, drehte die Formel 1 zum letzten Mal ihre Runden auf der Grandprix-Strecke des Nürburgrings. Dass Sebastian Vettel  damals am 7. Juli  in einem Red Bull mit Renault-Antrieb als Sieger die Eifel zum Beben brachte, wirkt mittlerweile wie ein Relikt aus der motorsportlichen Steinzeit. Nicht nur, weil der Heppeneheimer und sein neuer italineischer Arbeitgeber nicht gerade zum Erfolgs-Duo mutierten.

 

Inzwischen ist Deutschland Formel-1-Diaspora. Nicht nur im nördlichen Rheinland-Pfalz,  sondern auch im Badischen, auf dem Hockenheimring, ist die vielzitierte Königsklasse des Motorsports mittlerweile ad acta gelegt. Wann immer der Nürburgring seitdem auf seiner jährlichen Pressekonferenz („Media Launch“)  vor dem Beginn der neuen Saison die Journalisten an den Rand der „Grünen Hölle“ eingeladen hatte, um sein Programm für die neue Saison vor zu stellen, stand deshalb die Frage nach einer (möglichen) Rückkehr des ehemaligen „Zirkus Ecclestone“  im Raum. Fragen zur Formel 1 dort oben gehörten zum Standard-Repertoire wie der Kaffee und das Wasser beim Frage-und-Antwortspiel zwischen Ring-Oberen und Journaille.

Als der „Media Launch 2020“ am Mittwoch dieser Woche vorbei war, stand das Dauerthema Formel 1 weder in den Ausführungen von Nürburgring-Geschäftsführer Mirco Markfort, noch im Fragenkatalog von Print- Rundfunk- und Fernsehleuten an. Die Formel 1, so hat es den Anschein, ist am Rand der „Grünen Hölle“ sieben Jahre nach ihrem wohl letzten Rennen am „Ring“  kein Thema mehr.  Stattdessen mutiert die Rennstrecke im ehemaligen „Armenhaus der Natuion“  inzwischen immer mehr zur Multifunktions-Location und ist auch wirtschaftlich auf dem Weg der Gesundung. Jahrelang stand das gesamte Areal  als Symbol für Misswirtschaft und Steuerverschwendung in den Schlagzeilen. Unter der neuen Führung hat der vielgepriesene „Mythos Nürburgring“ intwischen wohl eine echte Chance für die Zukunft.

Die Rennstrecke sei von Mitte März bis Mitte November zu 100 Prozent ausgelastet, erklärte Markfort vor dem ersten  „Rollout“ 2020  nicht ohne sichtbaren Stolz. Zudem könne  man eine neue attraktive Motorsportserie mit FIA WM-Prädikat  und eine dazu gehörende , eigens geschaffene Event-Arena vorweisen.  Auch die Shops auf dem einst als seelenlosen „Friedhof“ geltenden Boulevard seien mit  multifunktionalem  Unterhaltungs-Angebot ausverkauft.

Veranstaltungen mit Eventcharakter für Firmen, Familien und Privatpersonen seien, so Markfort,  wohl  der richtige Weg des Unternehmens.  „Wir haben 400 Events in diesem Jahr in den Lounges und am Ringwerk und sind noch lange nicht am Ende. Die Rennstrecke ist von März bis November ausgelastet. Dazu kommen Rad- und Ausdauersport, das Musikspektakel  „Rock am Ring“, und eine Darts-Gala mit den Weltbesten dieses Sports.“  Der Nürburgring-Chef war am tiefsten Punkt der GP-Strecke, in der Müllenbachschleife, bei der Vorstellung des neuen Programms fünf Jahre nach seinem Amtsantritt bester Laune. „Die Bilanz  2019 weist  Zuwächse der Besucherzahlen in allen Bereichen aus.“ In Zukunft wolle man  den Fokus noch mehr auf die Weiterentwicklung der Firmenkunden-Veranstaltungen legen.

Von der Formel 1 spricht in der Eifel schon lange niemand mehr. Sie wirkt inzwischen fast wie ein vergessenes Relikt. Stattdessen bezeichnete Markfort den erstmaligen Auftritt der FIA World Rallyecross Championship am 1. / 2. August  als ein Format,  das „mit kurzen knackigen Rennen, unmittelbarer Nähe zu den  Fans sowie  permanenter Action vor allem junge Leute anzieht.“ Diejenigen, die der Formel 1 in der Eifel hinterher trauerten, seien „größtenteils noch mit Schumacher groß geworden.“

In nur drei Monaten wurde in der Müllenbachschleife eine WM-Strecke mit Kies- und Asphalt-Untergrund aus dem Boden gestampft. Die Tribünen bieten Platz für maximal 30.000 Zuschauer und versprechen, so Lokalmatador Timo Scheider in einer Video-Botschaft, „richtig geile Rennen.“ 600 PS unter der Haube, in 1,9 Sekunden von Null auf 100. Mehr „Schmackes“ als die Dienstfahrzeuge der Herren Hamilton, Vettel und Co.  Das versprich am ersten August-Wochenende eine „volle Hütte.“

Doch die diversen Motorsport-Rennserien  alleine sollen und werden  die Menschen 2020 nicht an den Ring ziehen.  Neben dem Konzert-Dino „Rock am Ring“ mit rund 85.000 Muskifans ziehen „Rad am Ring“, der „Strongman-Run“ und zum ersten Mal eine Darts-Gala die Menschen in die Eifel. Am 1. / 2. September soll der Nürburgring zum „Eifel-Ally Pally“, dem Mekka der weltbesten Pfeilwerfer, werden. Einige wenige Karten gibt es noch für den Auftritt von Phil „The Power“ Taylor und Co. Markfort, der von Umsätzen „in dreistelliger Millionenhöhe“ spricht, sieht sich selbst „mit Stolz als Teil eines tollen Teams, dem der Ring mit allem, was dazu gehört, am Herzen liegt.“