Fiat Cinquecento: Ein Stromer zum Verlieben

Dieser kleine Winzling ist so italienisch wie Gianna Nannini, Armani und die Squadra Azzura zusammen. Der wunderbar guttural klingende „Cinquecento“, im deutschen Sprachgebrauch auf die nüchterne Ziffernfolge Fünfhundert zurechtgestutzt, hat einst ganz Italien auf die Räder, und damit auf die Beine gebracht. Der Urahn, produziert von 1936 bis 1955, ging als das Mäuschen, der „Topolino“ in die Geschichte ein. Dem süßen kleinen Nager folgten der „Nuova 500“ von 1957 bis 1975. Und schließlich, von riesigem medialem Interesse begleitet, die Renaissance im Jahr 2007. Das italienischste aller italienischen Autos war plötzlich wieder da. Ein Lifestyle-Fahrzeug in mehreren Ausführungen, das immer mehr Freunde und auch reißenden Absatz bei den deutschen Autofahrerinnen und Autofahrern fand.

Der dritten Generation dieser Neuauflage wird eine besondere Ehre zuteil. Als erster BEV (battery electric Vehicle) des Hauses Fiat läutet sie eine neue Ära bei dem traditionsreichen Autobauer ein. Offiziell wird er auch bei uns nur als „500“ angeboten, weil er ab Generation drei nur noch als reiner Stromer gebaut wird. Der Begriff „550e“ hat sich im Sprachgebrauch aber eingebürgert. Wir fuhren ihn mit der stärkeren Batterie (42 kWh) 14 Tage lang durch Mosel, Hunsrück und Eifel. Dabei sammelten wir Fahreindrücke, machten Bilder in den Weinbergen vor der Kulisse der Stadt Trier. Die über 200 Jahre alte Residenz ist fast italienisch wie Rom. Und wir drehten oberhalb der ältesten Stadt Deutschlands ein Video mit ihm, das ihr in unserer Mediathek findet.

Wer die Geschichte dieses Fahrzeugs über die Jahrzehnte live auf der Straße, in Zeitungen, Zeitschriften Büchern oder jetzt im Netz verfolgt hat, der wird sich in die elektrische Neuauflage sofort verlieben. Laut Zulassungsstatistik des Kraftfahrbundesamtes (KBA) das meisterverkaufte E-Auto bei uns im ersten Halbjahr 2022. Mit genau 11.278 Stück. Noch vor dem Tesla Model 3 und dem Hyundai Kona.

Das Auto verrät auf den ersten Blick seine Wurzeln: Zwar in Länge, Breite und Höhe jeweils ein paar Zentimeter gewachsen, ist er doch ein knuffiges, kleines, halbrundes Mobil-Bonbon geblieben. Das Tagfahrlicht liefern moderne LED’s in runden Scheinwerfern. Aus dem Frontgrill, grüßen ein „500“-Logo und eine stark Frontschürze mit hoher Luftdurchlässigkeit. Durch die extrem kurzen Überhänge und den somit entstandenen großen Radstand, ergibt sich in Verbindung mit dem kurzen Heckspoiler als Abrisskante eine wohlgefällige Halbkugel auf einem stabilen Boden.

Der 500e ist ein Kompaktfahrzeug geworden, das auch als Elektriker durch eine geschickte Anbringung der Batterien mit 180 bis 560 Litern noch einen akzeptablen Laderaum bietet. Eines, das, zugeschnitten auf die jungen Käuferschichten, kompatibel mit allen möglichen Smartphone-Optionen digitales Nutzer- und Fahrerlebnis bietet. Im Interieur sind die verwendeten Materialien hochwertiger als bei den Vorgängern. An der Verarbeitung war bei unserem Testfahrzeug nicht zu meckern. Da gab es klein Klappern und kein Knistern.

Kleine Details wie eine Begrüßungsmelodie beim Start oder eine 500er Silhouette in der Türverkleidung machen ihn irgendwie liebenswert. Sowas muss nicht sein. Gefällt aber und zeugt vom hohen Aufwand für das Gesamtpaket. Hinter dem unten abgeflachten Lenkrad kommt ein digitales Cockpit mit diversen Einstellmöglichkeiten zum Vorschein. Einige Bedienungselemente sind sowohl über die Lenkradtasten wie auch mittels Sprachsteuerung machbar. Die reagiert auf „Hallo Fiat“ und interagiert mit Fahrerin oder Fahrer.

Der zentrale Bildschirm in der Instrumententafel ist mit 10.25 Zoll fast schon überdimensional. Die Sitze, so viel zum Thema Nachhaltigkeit, wurden aus recycelbarem Material, das zum Teil aus Meeresplastik besteht, gefertigt. Das Google-basierte Navi glänzt mit Echtzeit-Anzeige, ist hervorragend ablesbar und regiert mit Routenvorschlägen auf Verkehrsstörungen.

Die Kombination Smartphone und Fahrzeug erleichtert Vieles im alltäglichen Sprachgebrauch. So ermöglicht die easy Charge App (erhältlich bei Google play oder im Apple App Store), es, Ladestationen zu finden und zu verwenden. „My easy Wallbox“ ist eine Bluetooth-basierte Bedienungs-App für die easyWallbox, mit der man die Aufladung beginnen oder verschieben kann. Man kann aber auch vergangene Auflade-Historien einsehen und die easyWallbox konfigurieren.

Nach der WLTP-Norm schafft der Fiat 500 e 320 Kilometer. Unser Testfahrzeug zeigte im komplett aufgeladenen Zustand eine Reichweite von 280 Kilometern an. Natürlich gilt auch hier: Diese Zahl ist relativ: Wer das Gaspedal permanent bis ins Bodenblech durchdrückt, wird nicht lange und nicht weit Spaß mit diesem italienischen Charmebolzen. Die Fahrstufen wählt man durch Tastendruck an. Zudem kann man zwischen vier Fahrprogrammen wählen.

Die Stufe „Range“ macht aus dem Gaspedal ein E-Pedal. Nimmt man Gas weg, setzt sofort die Rekuperation, also die Rückgewinnung der Bremsenergie, ein. Mit etwas Übung braucht man das Bremspedal nicht mehr lange und versteht sich bald aufs „one-pedal-driving“. Dagegen wird im Fahrmodus die die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h reglementiert. Und zusätzliche andere Energie-Verbraucher wie die Klimaautomatik werden deaktiviert. Das bedeutet, dass die Reichweite erheblich steigt. Wird es also kritisch mit dem Nachhause kommen, sollte man von „Range“ auf „Sherpa“ wechseln.

Zu den vielen Assistenten gehören Abstandstempomat inklusive Stauassistent, Verkehrszeichenerkennung, Müdigkeitswarner, Totwinkelassistent und Regensensor. Eine elektrische Sitzverstellung mit Memoryfunktion, eine Klimaautomatik das schlüssellose Zugangssystem. Sowie Handy-Konnektivität über Android Auto und Apple CarPlay gehören zu den gern genutzten Komfort-Features im Alltag.

Unser Eindruck nach zwei Wochen Testbetrieb: Das, was dieser kleine Stromer alles kann und anbietet, haben wir alles noch nicht so richtig ausgenutzt. Der Fiat 500 ist als „BEV“ jedenfalls nicht nur ein sehr spannendes, sondern auch ein praktikables, forsches Fahrzeug mit einem hohen Faktor zum Verlieben geworden. Die Preisliste für die Limousine in der Version Sincom mit den 42 KWh-Batterien beginnt bei 34.990 Euro. Abzüglich des Umweltbonus von 9000 Euro.