Einblick in eine elitäre Scheinwelt: Die Trutzburg-Gasse der Formel 1

Nach dem Rennen ist vor dem Rennen.  Und nach dem Nürburgring ist vor Budapest. Auch wenn da erst einmal drei Wochen Pause sind. Das so genannte Sommerloch der Formel 1.  Die Siegerehrung in der Eifel ist am Sonntag kaum vorbei, da rollen aus allen Ecken der Rennstrecke die großen, überdimensionalen Trucks heran. Wie von Geisterhand kommen unzählige Männer mit Arbeitshandschuhen, Schraubern, Schlagbohrern, auf hydraulischen Hebebühnen, die sich an der Staffage des Vollgas-Zirkus zu schaffen machen. Es geht zu wie auf dem Jahrmarkt. Abbauen ist die Losung, die nächste Kirmes wartet schon.

Nürburgring 2013 09Die riesigen mobilen Motorhomes sind so etwas wie die Trutzburgen der Formel 1. Das sind rollende Einfamilien-Häuser. Nur ein bisschen teurer halt. Dort empfangen die Teams ihre Gäste, treffen sich Fahrer, Manager, Mechaniker. Die Motorhomes sind so etwas wie das moderne  Formel-1-Lagerfeuer. Dort wird gegessen, getrunken, gesprochen, verhandelt, beschlossen. Und manchmal wird sich auch nur gezeigt, in der Hoffnung, dass man von einer der vielen draußen  wartenden Kameramänner oder Fotografen aufgespürt wird.

Der „Brausehersteller“ (O-Ton Mercedes-Sportchef Toto Wolff) Red Bull leistet sich die protzigste aller Fluchtbauten. Drei Etagen inklusive Dachterrasse und voluminösem Eingangsgepränge. Das ist so etwas wie ein Waldorf Astoria auf Rädern.  Laut Internetportal  Formel1.de brauchen  20 Helfer zwei Tage, um dieses auf 24 Trucks angelieferte Konstrukt so auf die Beine zu stellen, dass es für ein paar Tage der repräsentative Wohnort allen Geschehens rund um den angriffslustigen roten Bullen ist.

Nürburgring 2013 04Über mehrere Bauwerke  verfügt auch der Mercedes-Bau, der aus 16 Modulen besteht. Dreieinhalb Tage lang bauen die Montage-Spezialisten dieses glitzernde „Übergangshotel“ auf, das  auf 16 Trucks angeliefert wird. Besonders beeindruckend  ist im Paddock (Fahrerlager) die – zwar räumlich etwas kleinere – dafür um so ungewöhnlichere Glitzerfassade von McLaren. Dieses mobile Eigenheim  hat so etwas von einem großen  Spiegel-Zerrbild auf dem Jahrmarkt.

Etwas gediegener und ein wenig traditioneller wirkt dagegen Ferrari. Die Italiener stehen dank des Konstrukteurstitels an zweiter Stelle direkt hinter  Red Bull im Fahrerlager.  Ebenfalls auf drei Etagen konnte  dort Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo am Wochenende seine Gäste empfangen.  Auf der Terrasse gibt es gratis auch noch ein wenig wärmender Eifelsonne an diesem Wochenende. Was in dieser Region nicht an der Tagesordnung ist.

Nürburgring 2013 17Direkt zur linken Hand am Eingang des Fahrerlagers ist ein eher bescheiden wirkender schwarzer Vorbau mit verdunkelten Gläsern und einer schwarzen Mercedes S-Klasse davor im Ruhestand. Dort hat Formel-1-Chef Bernie Ecclestone während der Ring-Tage sein Domizil aufgeschlagen. Ab und zu kommt der kleine Pfund-Milliardär aus seiner Kommando-Zentrale heraus, stets in schwarzer Hose und weißem  Hemd gekleidet. Dann winkt er einen seiner wartenden Befehlsempfänger zu einer kurzen Unterweisung heran. So, dass man den Eindruck hat, auf Knopfdruck drehen sich jetzt alle Räder im großen Formel-1-Zirkus.

Nürburgring 2013 10Auf dem PS-Boulevard flanieren alle jene, die wichtig sind in diesem Geschäft von Menschen, Motoren und Sensationen. Und noch mehr von jener Spezies, die sich in dieser abgeschiedenen, elitären Welt für wichtig und unentbehrlich halten.  Die Prachtbauten der Formel 1 sind inzwischen längst entweder in der Revision oder schon auf dem Weg nach Ungarn. Der Nürburgring rüstet sich nämlich schon für das nächste Großereignis am kommenden Wochenende. Dann lädt der ADAC zum Truck-Grand-Prix ein. Und das wird auch kein Ausflug nach Liliput.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun