Im 100 Jahr seines Bestehens lässt es ZF Friedrichshafen, einer der größten Automobil-Zulieferer der Welt, nicht an Innovationen und Pioniergeiste fehlen. Wir waren live vor Ort mit dabei, als der neue Branchenriese eines seiner aufregendsten Perodukte vorstelle. Bei 130 km/h auf der Autobahn tiefen-entspannt und ganz dem Fahrzeug überlassen.
Mit der Übernahme des US-Zulieferers TRW ist den Managern des Branchenriesen vom Bodensee ein Meisterstück gelungen. Nach dem Motto „Tradition ist gut“ aber „Innovation und Tradition sind besser“ richtet sich der neue Konzern nun global in einem weltumspannenden Verbund aus. Die wie aus dem Lehrbuch über die Bühne gegangene „Elefantenhochzeit“ legte den Grundstein für die Inthronisierung des weltweit drittgrößten Ausrüsters der Auto-Industrie. Welche Strahlkraft von der Bündelung der Ressourcen und technischen Synergien ausgehen kann, erfuhr der TV live aus erster Hand.
Ein ZF-Ingenieur war mit uns in einem Opel Insignia auf der picke-packe-vollen Autobahn A9 bei Berlin unterwegs. Ohne Hände am Steuer, ohne Füße an der Pedaleire, das Ganze in einem selbst gewählten Tempo, das bis zu 130 km/h schnell sein kann. Obwohl dies durchaus nicht etwa die Grenze des technisch Machbaren sein muss.
„Highway Driving Assist“ (HDA) nennt sich das elektronische Heinzelmännchen, das die Ingenieure des Konzerns, der aus der ehemaligen Zahnradfabrik Friedrichshafen (ZF) entstanden ist, in den Opel-Testwagen für unser Vorhaben implantiert haben. Kurz hinter dem ADAC Testzentrum bei Linthe in Brandenburg biegen wir auf die Autobahn Richtung Leipzig ein. Für die nächsten rund 20 – 25 Minuten lassen wir uns von unserem intelligenten Auto, oder besser gesagt vom Autobahn-Assistenten, kutschieren.
Ich sitze hinten rechts und habe einen ungestörten Blick auf das, was der ZF-Ingenieur da vorn hinter dem Lenkrad macht. Oder besser gesagt, auf das, was er nicht macht. Denn dieses den Fahrer unterstützende, aber nicht ihn von der Verantwortung entbindende System lenkt, beschleunigt und bremst automatisch. Mitten im Verkehrsfluss. Es hält den Abstand zum Vordermann, und bleibt im Rahmen der zuvor eingegebenen Maximal-Geschwindigkeit.
Ich sehe unserem sich selbst überlassenen Opel fasziniert zu. Dann, plötzlich geht es wie von Geisterhand: Angesichts des drohenden Auffahrens auf einen langsam vorausfahrenden Lkw auf der dritten Spur setzte das Testfahrzeug den Blinker. Dann wechselt es automatisch die Spur, um sich schließlich wieder im zuvor festgelegten Geschwindigkeits-Modus in den Verkehr ein zu reihen.
Bei dieser scheinbar autarken Vorgehensweise integriert das System in sich unterschiedliche Technologien. Das Ergebnis, das wir hier genießen und bestaunen können, ist das Zusammenspiel eines Radarsensor, eine Mono-Kamera, einer elektromechanischen Servolenkung mit Zahnstangenantrieb (EPS Belt Drive) sowie einer elektronische Stabilitätskontrolle, die die Kombination aus adaptiver Geschwindigkeitsregelung (ACC) und Spurführungs-Assistenz (Lane Centering Assist) ermöglichen.
Ich lerne bald das Credo der Projektleiter, die uns ZF für diesen Technik-Tag zur Seite gestellt hat, kennen. „Wir gehen das automatisierte Fahren schrittweise an und zeigen, was heute schon mit bewährten Technologien möglich ist. Bis zur Serienreife ist es noch ein weiter Weg, aber wir zeigen, was machbar ist und eines Tages kommen und uns entlasten wird.“ Vor allem sei wichtig: „Für viele Verkehrsteilnehmer ist dieser Entwicklungsstand derzeit nicht vorstellbar und nicht nachvollziehbar. Aber die Autofahrer müssen unseren Systemen vertrauen.“
ZF gibt an diesem Tag einen weiteren Einblick in das, was auf den Verkehrsteilnehmer auf dem Weg zur „Domestizierung des Automobils“ noch zukommen wird. Eine aktiv mitlenkende Hinterachse beispielsweise (zum Teil schon wie beim Audi Q7, verbaut), oder weitere neue Assistenzsysteme. Als Technologie-Träger und als Entwicklungs-Objekt stellt ZF drei so genannte „Smart Urban Vehicle vor. Dazu wurde ein Opel Agila umgerüstet, der sich nun mit einem Wendekreis von sechseinhalb Metern fast auf der Hinterachse bewegen kann, oder mit dem kleinen Finger auf einer smart- Watch oder einem Tablet eingeparkt wird
Die Zukunft des (automatisierten) Fahrens hat längst begonnen. Auch 100jährige gehen offensichtlich mit großem Vergnügen und großer Kompetenz an dieses Vorhaben heran.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun