Mit dem ersten Dacia Logan brachte Renault 2004 ein Auto auf den deutschen Markt, um das der Großteil der Käuferschicht erst einmal einen ziemlichen Bogen machte. Das hat sich grundlegende geändert.
Während die Konkurrenz aus Deutschland (Audi, Mercedes-Benz, BMW) und dem fernen Ausland (Jaguar, Toyota und Nissan mit den beiden Nobel-Töchtern Lexus und Infiniti) am oberen Ende der Fahnenstange mächtig aufrüstete, gingen die Franzosen genau den anderen Weg. Ein bezahlbares Fahrzeug weit unterhalb der damals gängigen Preismargen, sollte entstehen. Eines mit solider Technik, aber ohne Schnickschnack, das die aufstrebenden Märkte bedienen sollte.
Die Botschaft, die Renault mit der rumänischen Billigtochter unter das fahrende Volk bringen wollte, ging auf den damaligen Konzernchef Louis Schweitzer zurück. Sie lautete, etwas vereinfacht: Wenig Auto für wenig Geld. Bekenntnis zum Nötigsten, Verzicht auf das Unnötige! Praktikable mobile Alltagsbewältigung. Damit sollte der frühe Kundenstamm als Basis einer (noch) fernen Zukunft aufgebaut werden.
Die wenigsten gaben diesem Versuch eine Chance, sahen das Vorhaben schon im Ansatz als gescheitert an. Doch die Marketing-Strategen beschritten neue Wege. Sie kokettierten mit ihrer angeblichen Armut und sozial schwachen. Kreative Werbespots mit fiktiven Dacia-Bekenntnissen aus der sozialistischen Frühkultur dank Lenin, Marx, Engels oder auch Che Guevara machten die Billigheimer plötzlich zur Kultmarke. Und siehe da, es dauerte gar nicht so lange, da musste niemand mehr verschämt hinter vorgehaltener Hand zugeben, dass man einen von diesen billigen Autos aus Rumänien fuhr. Auf einmal war Dacia fahren angesagt, weil es als clever galt und nicht als Eingeständnis sozial schwacher Herkunft.
Heute, zehn Jahre später, sind wir (fast) alle schlauer. Dacia verfügt über sieben durchgängige Modellreihen, hat einen Privatkunden-Anteil von 90 Prozent und weist auch ohne Rabatte in Deutschland einen Marktanteil von 1,7 Prozent auf. Das ist in etwa die Hälfte dessen, was der Mutterkonzern auf die Räder stellt. Und dank Mehmet Scholl und Co. weiß die Nation heute, dass ein Dacia das Statussymbol für alle diejenigen ist, die kein Statussymbol brauchen. Und dass man mit einem Duster voller fröhlicher Kids auch mal die noble Golf-Klientel nerven kann. So schnell geht das, wenn man das Pferd vom Schwanze her aufzäumt.
Doch alleine mit geschickter Psychologie wurde dieses (Zwischen)ziel nicht erreicht. Auf die kantige Kompaktlimousine Logan, die mit einem für deutsche Verhältnisse für unmöglich gehaltenen Einstiegspreis von 7500 Euro aufgelegt wurde, folgten nach und nach weitere Modellreihen, diese allerdings mit wenigen Ausstattungsreihen. Alles Fahrzeuge, die zweckgebunden waren. Fließheck, Stufenheck, Kombi, Van, Hochdach-Varianten für Pkw und Nfz-Bereich und sogar einer Offroad-Spaß-Variante (Sandero Stepway). Dacia produziert mittlerweile mehr als eine Million Autos, darunter in Rumänien und in Marokko.
Im Verbund mit Renault und dank Ressourcen schonender Plattform-Strategie können nicht nur die Kosten minimiert werden, sondern auch vor zehn Jahren undenkbare Optionen wie der Schleuderschützer ESP oder ein Navigationssystem geordert. Neue Triebwerke (sparsame Diesel-Aggregate, Dreizylinder-Turbobenziner, Autogas), gehören ebenso dazu wie eine variable Innenraumgestaltung und eine etwas freundlichere Optik. Inzwischen, so Renault-Kommunikations-Vorstand Reinhard Zirpel, müsse sich niemand mehr dafür rechtfertigen, einen Dacia zu fahren. Werden. Oberstes Ziel sei es dennoch, „in jedem Segment, in dem wir antreten, das preisgünstigste Fahrzeug bieten zu können.“
Dieses Vorhaben will Renault mit der bestehenden Flotte an Dacia-Derivaten weiter r im Auge behalten. Auch wenn, wie im Crossover Duster, mit ein wenig Komfort auch schnell mal 15.000 Euro fällig werden können. Aber das sind immer noch Welten von der Konkurrenz, die eine Umsetzung des Renault-Gedankenmodells aus dem Jahre 2014 allmählich selbst ins Auge gefasst hat. Denn auch andere Hersteller haben offensichtlich gemerkt, dass mit etwas sozialistischem Charme durchaus auch dem kapitalistischen Gedankengut Rechnung getragen werden kann.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun