Nissan hat jetzt die zweite Generation seines komplett neuen Elektro-Fahrzeugs Leaf vorgestellt. Er hat bedeutend mehr Reichweite als der Vorgänger, mehr Leistung und ist auf dem Weg zum Serien-Alltagsauto. Hier unsere ersten Fahreindrücke
Mit dem Begriff „Fahrspaß“ verbindet man in erster Linie das mobile Tête-à-Tête mit einem flotten Cabrio einem schnittigen Coupé oder einem aufgemotzten Kleinwagen. Doch ein Ausflug auf vier Rädern kann auch an einem vorsommerlichen April-Tag (auch so etwas gibt es!) mit einem Fahrzeug zum Vergnügen werden, das in dieses Rollen-Klischee eigentlich nicht so richtig passen will. Mit einem Elektro-Fahrzeug nämlich. So geschehen dieser Tage mit der zweiten Ausgabe des Nissan Leaf, des weltweit meistverkauften Stromers.
Die Japaner können sich schmunzelnd die Hände reiben: Rund 3000 zukünftige Besitzer haben den Kaufvertrag für die zweite Version des Bestsellers bereits signiert, ohne dass sie auch nur einen Meter damit absolviert hätten. Was erwartet die zukünftigen Leaf-Besitzer außer einem Akku mit höherer Energie-Dichte (40 statt 30 kw), mehr Leistung (150 statt 109 PS) mehr Drehmoment (320 statt 254), größerer Reichweite (258 Kilometer bei kombinierter Stadt- und Überlandfahrt) und einem Einstiegspreis von mindestens 31.950 Euro?
Zunächst einmal ist es das immer wieder faszinierende ansatzlose Beschleunigen eines reinen Batterie-betriebenen Fahrzeugs, das nahezu sofort das gesamte Drehmoment zur Verfügung stellt. Dieser impulsive „ad-hoc-Start“ ist der erste Teil dessen, was wir unter Fahrvergnügen verstehen. Teil zwei muss, oder besser sollte man sich „scheibchenweise“ erarbeiten. Lässt der schnittige kleine Kompaktwagen schon im Normal-Betrieb im Kurvengeschlängel weder Schwammigkeit noch Untersteuerungs-Tendenzen erkennen, so eröffnet der Umgang mit dem E-Pedal ganz neue Erlebnis-Dimensionen.
Konnte man bereits beim 2010 eingeführten ersten Leaf über einen blau illuminierten Hebel in der Mittelkonsole im Modus B mehr Energie für die Batterie zurückgewinnen so ist das neue E-Pedal ein serienmäßiger interaktiver Teil des Fahrzeugs. Bremsen und Beschleunigen werden nach dessen Aktivierung quasi mit dem gleichen Pedal erledigt.
Nimmt man also den Fuß etwas vom (Gas)-Pedal zurück, verlangsamt sich das Fahrzeug sukzessive nur durch die Rekuperation der Bremsenergie bis hinunter zum Stillstand. Möchte man anfahren oder das langsamer gewordene Fahrzeug wieder beschleunigen, tritt man das Pedal wieder etwas durch. Vonnöten ist ein Lerneffekt im Umgang mit diesem neuen Instrument: Denn das Fahrzeug wird nicht nur langsamer, wie man das beim „Gas wegnehmen“ im Verbrenner kennt. Es wird – zwar nicht abrupt, aber ganz konsequent – innerhalb kürzester Zeit bis zum Stillstand abgebremst.
Das mag zunächst noch nerven, das ging uns auch nicht anders. Man hoppelt mehr über die Straße, als dass man komfortabel rollt. Hat man dieses feinfühlige und sensitive Miteinander von Energie geben und Energie nehmen mittels eines einzigen Pedales aber erst einmal im wahrsten Sinne des Wortes „begriffen“, stellt sich pures Fahrvergnügen ein. Gemixt mit persönlichem Stolz, das so schnell kapiert und auch umgesetzt zu haben. Glaubt man dem Hersteller, können dergestalt bis zu 100 Prozent der Energie rekuperiert werden.
Da Nissan auch die Dämmung erheblich verbessert hat, entfallen lästige Wind- oder Abrollgeräusche völlig. Das Einzige, was permanent unterschwellig ans Ohr dringt, ist das leichte Stromer-typische Surren. Neu ist neben dem E-Pedal auch noch die Funktion des sogenannten „Pro-Pilot“. Dahinter versteckt sich das erstmalige teilautonome Fahren. Aktiviert man dieses Feature, so orientiert sich das Auto am „Vordermann“. Es wahrt auch im Stop-and-Go-Verkehr den Abstand und nimmt selbständig Lenkbewegungen vor. Nimmt man die Hände vom Lenkrad, kommt allerdings der unmissverständliche optische und akustische Hinweis, das wieder rückgängig zu machen.
Geladen werden kann der Leaf zu Hause an der Steckdose oder an etwa 6.500 deutschen Ladestationen. Dort funktioniert das über ein Typ-2-Kabel (bis zu 6,6 kW) oder per Gleichstrom mit Chademo-Stecker (bis zu 50 kW). Die entsprechende Nissan-Smartphone-App gibt Auskunft über deren Standorte. Braucht man an der Haushaltssteckdose bis zu 21 Stunden bis zur kompletten Füllung, so sollen an der Schnelllade-Station etwa 40 Minuten vergehen, um die Energiespeicher wieder bis auf 80 Prozent zu laden.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun