Liebe Leserin, lieber Leser,
Wenn es um Autos als Hauptdarsteller auf der Leinwand geht, muss man nicht lange überlegen. Es gibt unzählige „blecherne“ Stars, die Geschichte(n) in der Kino-Ära geschrieben haben. Ob der tolle Käfer „Herbie“, der Alfa Romeo Spider aus der „Reifeprüfung“ mit Dustin Hoffman, der in eine wilde Verfolgungsjagd verstrickte Ford Mustang in „Bullitt“ oder die luxuriösen und bis an die Zähne „bewaffneten“ Bond-Autos von A wie Aston Martin DB5 aus „Goldfinger“ bis hin zu Z wie BMW Z8. Doch wenn es um einen zweirädrigen Helden geht, der zur Legendenbildung vor der Kamera beigetragen hat, so gibt es wohl nur eine einzige Maschine, die sich dieses Erfolges rühmen darf.
Für die Männer meiner Generation, die man gerne als „Alt 68er“ bezeichnet, war es der Kultfilm Ende der 1960er Jahre schlechthin. Er ist es für Viele unseres Schlages geblieben, die ein offenes Herz für Mythenbildung jeder Art hatten. Die Harley Davidson, auf der Billy (Dennis Hopper) und Wyatt (Peter Fonda) durch die amerikanischen Südstaaten brausten, war zu jener Zeit das Dogma einer neuen Zeit: Die Hippie-Bewegung, Woodstock, Aufstehen Aufschreien gegen den Vietnam-Krieg. Make love not war: Die grenzenlose Freiheit der Gedanken hatte uns alle ergriffen. Wir alle waren ein bisschen „Easy Rider“, waren ein Stück des Aufbruchs in ein neues Zeitalter, in dem wir uns der (vermeintlichen) Fesseln alt her gebrachten Gedankengutes entledigen konnten.
Nun, das Leben und die Wirklichkeit haben uns seitdem gelehrt, dass manche Illusionen auch nicht über den Status des Wunschdenkens hinaus kommen und leider nur das bleiben, als was sie einmal geboren wurden: Visionen. Was uns geblieben ist, das ist die Gewissheit, einmal Teil dieser Generation gewesen zu sein, die es zumindest versucht hat, aus dem Mief des strengen Konformismus und der allgegenwärtigen Bevormundung auszubrechen.
In ein paar Tagen soll es besagter Harley Davidson aus Easy Rider „an den Kragen“ gehen. Am 18. Oktober wird sie in einem kalifornischen Nest namens Calabasas versteigert. Das Auktionshaus, das die Harley „unter den Hammer fährt“, rechnet mit einem Erlös von mindestens einer Million Dollar. Der ideelle Wert dieser Legende liegt mit Sicherheit weitaus höher. Denn alleine der Blick Peter Fondas, der, die Hand an der ultralangen Gabel, auf dem Bock sitzend, in die unendliche weite Ferne blickt, ist mit Geld nicht zu bezahlen.
Wobei es eigentlich nur einem gütigen Film-Schicksal zu verdanken ist, dass die Maschine die damaligen Dreharbeiten heil überstanden hat. Denn wer den Film jemals mit Inbrunst und den unvergleichlichen Steppenwolf-Takten im Ohr erlebt hat, wird sich an die Schluss-Sequenz aus „Easy Rider“ erinnern: Da geht der zweirädrige Hauptdarsteller, das Sinnbild von grenzenloser Weite und ebensolcher Freiheit, in einem Flammen-Inferno auf.
Ihr Jürgen C. Braun