Wenn sich an einem Pressetag auf einer Automesse schon gut 30 Minuten vor dem angekündigten Event gefühlte Hunderte von Journalisten mit Kameras, Mikrofonen Fotoapparaten, Tablets, I-pads und sogar leibhaftigen Notizblöcken einfinden, dann muss Gewaltiges vor der Tür stehen. Entweder die Enthüllung des perpetuum mobile oder – wenn das nicht reicht – dann zumindest das neueste Erzeugnis aus dem Hause Ferrari. Nun, das Zweite war am ersten Pressetag der IAA 2013 der Fall. Für 13 Uhr hatte das Haus Ferrari zur feierlichen Präsentation des neuen „458 Speciale“ eingeladen. Mit viel Glanz und Glamour, mit sonnenbrillen-bewaffneten Security-Muskelprotzen mit Knopf im Ohr, mit einer akustischen Melange aus Verdi- und F1-Klängen der Scuderia.
Und natürlich mit Luca de Montezemolo. Denn dem Chef des Hauses Ferrari persönlich war es vergönnt, endlich das Geheimnis des neuen Kraftprotzes, des neuen Mythenträgers, zu lüften. Was zählt in solchen Momenten der automobilen Ekstase noch der Status Quo des Elektro-Mobils, die Frage nach EU-Vorschriften, nach Abgas-Emissionen, nach Reduzierung des Kraftstoffverbrauches. Männer, hier dürft ihr noch glänzende Augen bekommen. Hier dürfen Eure Synapsen noch verrückt spielen, Euer Blutdruck darf (zumindest für einen kurzen Moment) in Schwindel erregende Höhen empor schnellen und Euer pulsierender Ausstoß an Endorphinen darf schier unermessliche Ausmaße einnehmen.
Ganz normale, nette Kollegen proben sich plötzlich unter heftigstem Einsatz der Ellbogen mittels Foto-Handy im digitalen Nahkampf. Ungeachtet des von hinten, vorn und seitlich eingequetschten schnaufenden Nebenmannes, dessen Fußpranken auf den eigenen Zehen mit unablässigem Druck Platz genommen haben. Was kümmert uns wahre Verehrer des „cavalhino rampante“, des aufsteigenden Pferdes im Ferrari-Emblem, noch die Batterie unerbittlicher, Schweiß treibender Scheinwerfer über uns.
Grelle, quälende Folterinstrumente der modernen Beleuchtungstechnik, die unser Sakko samt Hemd und Krawatte längst in einen vor sich hin müffelnden, verschwitzten Kleidersack gemacht haben. Was soll’s! Hier spricht Luca, hier ist der neue Star des Hauses Ferrari, die Inkarnation männlicher Lustgefühle. Vier Wochen nach dem Start zur Fußball-Bundesliga hat das Leben einen zweiten, zusätzlichen Sinn und Zweck erhalten: Einen flüchtigen Blick auf den neuen Ferrari, eingekreist, eingequetscht, und unfähig sich auf und davon zu machen inmitten einer einfach nur glücklichen Männer- und Menschenmenge.
Ach ja, bevor ich es vergesse. Es gibt ja auch noch ein paar technische Daten: Ferrari zeigt in Frankfurt seinen stärksten Achtzylinder: Das 4,5 V8-Liter-Mittelaggregat ist ein Unikat. Der Saugmotor im 458 Speciale leistet 135 PS pro Liter, insgesamt also 605 PS. Er ist der Nachfolger der Rennmodelle F360 Stradale Challenge und 430 Scuderia. Damit ist der 458 nach dieser Frischzellenkur der stärkste frei saugende Achtzylinder Welt.
Drei Sekunden braucht Mann (wenn er denn dürfte) von Null auf 100. In 9,1 Sekunden sind die 200 Stundenkilometer erreicht. Die italienische Design- und Karosserieschmiede Pininfarina hat sich in nationaler Ko-Produktion an der Entwicklung beteiligt. So ist der Ferrari 458 Speciale an Front und Heck mit aktiven adaptiven Aerodynamikteilen ausgestattet, die sich der Fahrsituation anpassen. Deren Ziel: einen möglichst geringen Luftwiderstand zu erreichen.
Der Preis? Wer wird in diesem überwältigenden, monumentalen Gefühl der Glückseligkeit denn nach solchen profanen Dingen fragen.
(Nicht ganz ernst gemeinter) Text und Fotos: Jürgen C. Braun