Nach fünf Monaten Grüne-Hölle-Entzug: Saisonauftakt wie gemalt

Welch ein Auftakt in die neue Saison der Touristenfahrten an der Nürburgring Nordschleife. Nach fünf Monaten „Grüne-Höllen-Entzug“ stürmten die PS-Jüngerinnen und Jünger am Samstag bei strahlendem Sonnenschein und milden, frühlingshaften Temperaturen wieder die aufregendsten 20,8 Kilometer Asphalt der Eifel und nahmen die schönste Rennstrecke der Welt unter die Räder ihres Privatautos.

Vom kleinen getunten Ford Fiesta oder aufgemotzten VW Polo bis hin zum brüllenden Sechszylinder Sportwagen aus Zuffenhausen mit mächtigen Heckflügeln war alles erwartungsvoll dabei vor den Schranken am „Devil`s Diner“. Schon lange, bevor um acht Uhr die Ampel zum ersten Mal das lang erwartete Grün am Ende der Döttinger Höhe zeigte, waren die Parkplätze rund um die Zufahrt ausgangs Nürburg besetzt und dann gab es kein Halten mehr.

„Um fünf Uhr heute Morgen. Damit wir auch möglichst früh da sind und etwas von diesem Tag haben“, antwortete uns ein junges Paar, das mit seinem BMW M3 E 36 die neue Ausfahrt an der Döttinger Höhe benutzt hatte, auf unsere Frage, wann sie denn aufgebrochen seien. Französisches Kennzeichen, Departement Bas-Rhin. Elsass also. Ein junges Pärchen in den Schalensitzen. Und ihre Eindrücke an diesem frühen März-Morgen? „Superbe,  Magnifique.“ Einfach nur super und beeindruckend. Und nein, sie seien natürlich nicht zum ersten Mal am Ring, und sie würden natürlich auch wiederkommen. „Seit vielen Jahren schon.“

Sie waren aus allen Himmelsrichtungen gekommen am ersten Tag der neuen Touristensaison. Eifeler, die nur ein paar Kilometer hatten, deutsche Kennzeichen quer über die Republik verstreut. Aber auch Holländer, Belgier, Franzosen, Luxemburger, Dänen, Schweden, Tschechen. Den „Vogel“ schoss bei unseren Gesprächen mit den ersten Nordschleifen-Absolventen dieses Jahres ein offensichtlich gut betuchtes Paar aus England ab. Beide hatten ihren Porsche 911 GT3 in Southampton auf den Zug gepackt, waren am Abend zuvor mit dem Flieger nach Köln angereist, dort in ihren Sportwagen gestiegen und genossen nun vor Ort reines ungefiltertes Nürburgring-Feeling. „Porsche-Artgerecht in freier Wildbahn.“

Aber der Ring ist Allen vorbehalten. So wie Lissy, die am Samstag ihren 16. Geburtstag feierte. Schon als ganz kleines Kind war sie von den Motorsport-begeisterten Eltern hierhin mitgenommen worden und kostete nun ihr Geburtstagsgeschenk in vollen Zügen aus. Eine Runde im Ring-Taxi Porsche GT3 RS 992 auf dem Beifahrersitz. Geburtstagsparty bei strahlendem Sonnenschein im „Höllenrausch“ durch die 73 Kurven und über 300 Höhenmeter. Von ganz tief unten bei Breitscheid bis hinauf zur Hohen Acht und an die T13. Kein Wunder, dass danach beim Aussteigen mit wackligen Beinen ein paar Tränchen des Glücks flossen.

„Etwa die Hälfte unserer Touristenfahrer auf der Nordschleife kommen aus dem Ausland“, erklärte uns Alexander Gerhard, der Leiter der Nürburgring Unternehmenskommunikation. Er sprach von einem sehr erfolgreichen Start in die neue Touristenfahrt-Saison. Die Anzahl der Schrankenöffnungen an einem Tag kommuniziere man zwar nicht, aber bei einem Selbstversuch kamen wir der Sache zumindest annäherungsweise auf die Spur. 27mal öffnete sich eine der drei Schranken vor dem Kontrollcenter in fünf Minuten, in denen wir mitzählten. Kann man zwar nicht exakt hochrechnen, ergibt aber zumindest einen groben Rahmen: Das wären dann 324 Mal Auf und Ab der Schlagbäume in einer Stunde gewesen. Von morgens acht bis 18.30 Uhr also rund dreieinhalb Tausend Fahrten, die am Samstag zum Auftakt in die neue Saison absolviert wurden. Die Faszination der im Juni 98 Jahre alt werden Rennstrecken-Legende ist nach wie vor ungebrochen.

Für alle Eventualitäten war aber natürlich auch vorgesorgt gewesen. Jenny und Michael, erfahrene Rettungssanitäter aus dem Medical Center des Nürburgrings, waren mit einem Rettungswagen vor Ort. Prophylaktisch. „Unten in Breitscheid steht noch ein zweites Team von uns“, erklärt uns Jenny und fügt hinzu. „Bis jetzt alles gut. Aber wenn wir wirklich raus müssten, dann käme hinter uns niemand mehr. Dann hätten wir nur noch die Touris vor uns. Und die sähen im Rückspiegel, was los ist.“

Kollege Michael meint so gegen 11 Uhr am Samstagmorgen in der Frühlingssonne nur leicht augenzwinkernd, aber ganz entspannt: „Bis jetzt sie alle noch zahm und brav. Aber bisschen verbogenes Blech gab’s wohl schon.“ Armin Link, der Leiter des Nürburgring Medical Centers weiß, was er an seinen Leuten hat und kommentiert telefonisch: „Wenn erforderlich, sind wir auch in kürzester Zeit mit einem Notarzt vor Ort. Unser Team ist eingespielt. Und für alles gerüstet.“

Eine beruhigende Nachricht auch für die vielen Nordschleifen- Freunde, die sich am Samstag nicht nur oben ausgangs Nürburg rund ums „Devils‘ Diner“ bei vielen PS-Gesprächen tummelten. Auch unten in Breitscheid und an mehreren Besucher-Hotspots schnappten weibliche wie männliche PS-Freaks quer durch die Generationen erstmals in diesem Jahr wieder Nordschleifen-Luft. Und die tat offensichtlich genauso gut wie in all den Jahren zuvor. Und wird es noch bis Ende Oktober tun.

Text und Fotos: Charlys Autos