Der Audi Q7 im JCB-Check: Schöne neue (Auto)-Welt…

Die wunderschöne Landschaft, nur einen Steinwurf vom Nordufer des Genfer Sees entfernt, ist mir nicht unbekannt.   Das Automobil, mit dem ich sie durchquere, dagegen schon.  Der neue Audi Q7 im JCB-Check.

Audi Q7 2015 05 11  02„Le Coeur du Valais“ – „Das Herz des Wallis“ prangt es in dicken, den möglichen Besucher willkommen heißenden,  Lettern von den Plakaten entlang der Autoroute du Rhone valais. Die  Planer großer  Rad-Rundfahrten in Frankreich und der Schweiz schreiben die mörderischen Anstiege und die halsbrecherischen  Abfahrten in diesem  eidgenössischen Garten Eden in schöner Regelmäßigkeit ins Streckenprofil des Sattel-Martyriums.

Uns ergeht es da bei weitem sicherer, komfortabler, aber nicht minder erwartungsvoller. In Sion, dem Tor zum Wallis, haben wir die Erstlingsausgabe des neuen Audi Q7, des Ingolstädter Flaggschiffs der SUV-Serie, in Empfang genommen. Unser Ziel: Verbier, in den Wintermonaten der  Puls des puderweißen alpinen Jet-Sets. In der Vakanz eher ruhiger,  beschaulicher, wenn nicht gar verlassener Rückzugsort der verbliebenen Einheimischen.

Audi Q7 2015 05 11  03Hinter Martigny geht es hinauf, eine elend lange Serpentinen-Anfahrt.  Ein Spitzkehren-Gewitter in Richtung  Gipfel. „Hey“, frage ich meinen Kollegen, „sitzen wir wirklich  in einem knapp  zwei Tonnen schweren und gut  fünf Meter langen Auto, das eigentlich die Bezeichnung Geländewagen trägt?“.  Der neue Q7 fährt sich  – vor allem vor dem Hintergrund, dass es sich eben nicht um eine Limousine oder ein Sportcoupé handelt – mit einer geradezu spielerischen Leichtigkeit und veritabler SUV-Grandezza  durch das Asphalt-Geschlängel.  Was wir nicht als Solches empfänden, wenn uns der  Vorgänger und damit auch dessen Verhaltensweisen nicht als Vergleichs-Parameter diente.

Audi Q7 2015 05 11  05Warum, so  fragen wir uns, empfinden wir das so?  Eben noch auf der Autobahn-Anfahrt wähnen wir uns angesichts eines ausgleichenden, komfortablen Fahrwerks, nicht zu spürenden Rollwiderstandes und optimaler Geräuschdämmung des Innenraums eher in der Kanzlerinnen-Limousine als in einem Gelände-gängigen Familien-Fahrzeug. Und jetzt, im sich langsam  steigernden voralpinen Höhenrausch, entpuppt sich der vermeintlich sperrige Dreck- und Hügelfresser als die Stretch-Ausgabe der neuen TT-Generation.

Audi Q7 2015 05 11  06Der Q7 heißt zwar noch so, aber außer dem Namen ist ihm nicht viel geblieben: 300 Kilo leichter ist der  Riesen-Audi geworden. Karosserie, Achsen, Motorblock, Interieur:  alles wurde auf den Prüfstand gestellt, um jedes Kilo wurde gerungen. Doch die Gewichts-Reduktion alleine führt nicht zu einem solchen Fahrverhalten. Eine aktiv mitlenkende Hinterachse, ein Individual-Programm, das beispielsweise die Luftfederung an die gewünschten Werte adaptiert, macht aus der auch optisch proportionierter gewordenen  „Wuchtbrumme“ mit den vier Ringen einen gefühlten Autoscooter.  Allerdings: beides sind optionale Ausstattungsdetails. Die Allradlenkung  kostet 1150 Euro und die Luftfederung 2050 Euro Aufpreis.

28 Prozent weniger an Sprit, so hat uns Audi gesagt, genehmige sich der neue Q7  als Effizienz-Ergebnis all dieser Maßnahmen. Womit wir bei den Antriebsaggregaten wären.  Zwei 3.0 Liter große V6-Diesel mit 218 und 272 PS – davon Letzterer mit einem bärenstarken Drehmoment von 600 Newtonmetern – entstammen der Fraktion der Selbstzünder. Dazu kommt ein ebenfalls drei Liter großer, direkt einspritzender, Benziner mit 333 PS. In allen Fällen sorgt eine Achtgang-Automatik für die ebenso butterweiche wie effiziente Kraftübertragung.

Audi Q7 2015 05 11  07Ein geradezu wundersames Klassenzimmer voller Heinzelmännchen aus der Welt der elektronischen Helferlein  ist die Palette der Assistenzsysteme, die Audi dem neuen Q7 einverleibt hat. Beim Querverkehrs-Assistenten decken Sensoren den Bereich hinter dem Auto ab. Droht, etwa beim Ausparken,  Kollisionsgefahr, gibt es zunächst eine Warnung und – sollte das nicht ausreichen – auch einen leichten korrigierenden Bremseingriff.   Ein Anhänger-Assistent wird alle jene freuen, die ihren Bootstrailer oder ihren Pferde-Transporter dem Q7 anvertraut haben.

Der Abstandsregel-Tempomat mit Stau-Assistent hält nicht nur die (einstellbare) Distanz zum Vordermann. Selbstständige Lenkimpulse sorgen sogar dafür, dass die Spur gehalten wird.  Zudem erteilt das Fahrzeug dem Fahrer nach einer gewissen Zeit der  persönlichen Untätigkeit am Lenkrad einen Hinweis, dass es Zeit werde,  das Steuer wieder zu übernehmen. Kein Wunder, wenn der technische Projektleiter Steffen Scheunemann mit sichtlichem Stolz sagt, der neue Q7 sei für Audi „die Vorstufe zum autonomen fahren.“

Audi Q7 2015 05 11  10Zudem glänzen die Ingolstädter mit dem so genannten prädiktiven Effizienz-Assistenten. Hinter diesem aussichtsreichen Kandidaten bei der Kür zum „Unwort des Jahres“  verbirgt sich eine Art voraus schauender Navigation und Hilfestellung. Dieser kluge Kopf im Auto erkennt anhand der Topographie (Steigungen, Gefälle, Straßenverlauf), dass  das beschleunigen, ja sogar das bloße  beibehalten  der Geschwindigkeit reine Spritverschwendung wäre. Das Hirn im Auto fordert also das Hirn im Fahrer auf: nimm den Fuß vom Gas:  Du klaust Dir sonst Dein eigenes Geld.

Was bleibt uns also, außer noch zu sagen, dass der Einstiegspreis des ab Juni lieferbaren  neuen Audi Q7 bei 60.900 Euro liegt. Für diese Summe allerdings werden ihn sich die wenigsten Auto- und Audi-Enthusiasten  bestellen. Schließen wir uns also  dem nicht ganz unkritischen Schriftsteller-Geist  Aldous Huxley an, der schon vor mehr als 80 Jahren festhielt: „Willkommen, schöne neue (Auto)-Welt…“

Text und Fotos: Jürgen C. Braun