Senior testet Junior: Der Alfa Romeo für alle ist da

Ein Auto, drei Antriebe: Der neue Junior ist nicht nur das erste elektrische Auto von Alfa Romeo. Die italienische Sportwagenmarke im Stellantis-Konzern will sich damit auch eine bisher kaum oder eher gar nicht beachtete Zielgruppe erschließen. Gelingen soll das mit einer Hybrid-Version, in der Verbrenner und Elektromotor sich die Arbeit teilen und zwei reinen Stromern.

Beim Stärksten von beiden, nämlich der 280 PS starken Variante „Veloce“, bleiben wir heute. Dem nämlich fühlten wir auf einer eigens abgesperrten Teststrecke mit verschiedenen Straßenbelägen,  einer langen Steilwandkurve sowie einer simulierten Rennstrecke, einer Art „eingedampfter“ Nürburgring Nordschleife,  mit vielen kurzen Abzweigungen und verzwickten Richtungsänderungen einen ganzen Vormittag lang so richtig auf den Zahn.

Doch vor der Praxis steht die Theorie. Die Alfa-Techniker und Instrukteure klären uns, bevor es losgeht, auf: Die Veloce-Version, die sich konsequent an die sportlich ambitionierten Fahrerinnen und Fahrer richtet,  zeigt mit einem um 2,5 Zentimeter abgesenkten Fahrwerk,  380 Millimeter großen belüfteten Scheiben an den Vorderrädern und  Vierkolbensättel, wohin die Reise geht. All das wäre allerdings nur blanker Populismus, wenn es da nicht das mechanische Torsen-Sperrdifferenzial gäbe. Das soll die Kurven-Eigenschaften des Junior Veloce optimieren. Ziel, sagen uns die Alfa-Experten, und man glaubt, das Leuchten in ihren Augen erkennen zu können, ist „das Untersteuern zu minimieren und die Traktion am Kurvenausgang zu maximieren.“

Zunächst aber heißt es schlucken: Wellen nämlich. Kurze, lange, Querrippen. dazu Asphaltstücke, wie man sie in Eifel und Hunsrück meist nach dem Winter als mehr oder weniger gut ausgebesserten Flickenteppich vorfindet. Anders als etliche andere BEV (battery electric vehicle) in diesem Segment, riegelt der Veloce nicht bei 180, oder gar noch früher ab, sondern erst bei Tempo 200. Das merkt man vor allem dann, wenn man auf der höchsten der drei Steilkurven-Fahrbahnen einmal für ein paar Sekunden die Hände vom Lenkrad nimmt und der Alfa wie mit Sekundenkleber am obersten Fahrbahnrand zu kleben scheint.

Alfa hat den Synchronmotor, der üblich auf 240 PS ausgelegt war, noch einmal um stolze 40 PS angehoben. Das sind dann nicht einfach nur einfach 40 PS mehr, sondern der Grenzbereich verschiebt sich enorm und das passt dann wirklich nur im perfekten Zusammenspiel aller (Flieh)kräfte.  Hier und natürlich auch zum Abschluss auf der von Formel-1-Rennstrecken-Entwickler Hermann Tilke konzipierten kurzen Rennstrecke des Testgeländes, merkt man ganz deutlich, wie segensreich ein Differential, also ein Ausgleichsgetriebe, sein kann.

Das verteilt die Antriebskraft mechanisch an die Räder. Und nachdem wir, über simulierte Kurbs „räubernd“, der Technik von Runde zu Runde hinter dem Führungsfahrzeug des Instruktors immer mehr vertrauen, weicht die anfängliche Skepsis und der Spaßfaktor stellt sich ein. In Kurven erhält das äußere Rad mehr Schub, wodurch der 280-PS-starke Junior in sich stabiler wird und demzufolge höhere Kurvengeschwindigkeiten möglich macht. „Hier kannst Du beim rausbeschleunigen ordentlich auf den Pinsel treten“, ermuntert mich der Mann in der Giulia vor mir über sein Walkie-Talkie nach einer Doppelrechts, die sehr spät zumacht.

Wie wollten wir einem so erfahrenen Mann an der Pedalerie und am Volant widersprechen?

Schon heute bleibt fest zu halten: Der Junior hat alle Voraussetzungen, das Portfolio von Alfa Romeo nach unten erweitern. Seine Auftrag ist klar: Die Zulassungszahlen des Italo-Schönlings an zu heben und damit der Marke auf lange Sicht eine wirtschaftlich gesunde Basis hierzulande verschaffen. Technisch ist die Basis zwar identisch mit Stellantis-Produkten wie Jeep Avenger, Opel Mokka oder einem Peugeot 2008. Aber der Junior ist auch aufgrund seiner Erscheinung vor allem eines: Ein Auto für Alfisti. Für solche, die entweder schon welche sind, oder erst welche werden wollen. Wie sich der frontgetriebene Veloce, der schwächere Stromer oder auch der italienisch „Ibrida“ genannte Hybrid-Neuling im Alltagsverhalten geben, darüber ein anderes Mal. Dann auch auf öffentlichen Straßen.

Text: Charlys Autos / Bilder Dani Heyne / Dino Eisele / charlys autos