Zunächst etwas zum allgemeinen Verständnis der folgenden, sehr persönlichen, Betrachtungsweise eines ungewöhnlichen Fahrzeuges: In meiner Heimat, also im äußersten Westen der Republik, fährt man nicht Peugeot. Man fährt, der Diktion des moselfränkischen Dialektes folgend, „Päscho“. Gibt der geneigte Käufer dann auch noch der Farbe grün den Vorzug, so bewegt unsereins nach den Vorgaben hiesiger Lautmalerei „a griina Päscho.“
Zum Straßenbild unmittelbar dies- und jenseits der Grenze gehören die Autos mit dem Löwen-Signé seit Jahren und Jahrzehnten. Das war schon so, als ich noch Kind, Jugendlicher, und dann irgendwann auch Führerschein-Inhaber war. Päscho, pardon Peugeot, fuhr die Verwandtschaft, der Nachbar, und – so glaube ich mich zu erinnern – einmal sogar auch unser Herr Pastor. Als 104, 304, 404, 504. Als Limousine, Cabrio, Club, was auch immer. Derlei Autos gehörten irgendwie zur Familie. Sie versprühten die Aura der Bodenständigkeit, einer gewissen Vertrautheit, Behaglichkeit und des zu Hause seins. So war es, so und nicht anders konnte es sein.
Warum also, fragte ich mich, als dieses Fahrzeug, um das es in der Folge geht, eines Tages vor der Tür stand, baut ausgerechnet dieser Hersteller so einen Sportwagen? Einen Peugeot RCZ-R. Ein Auto, in das man nur mit einem Schuhlöffel rein kommt. 1280 Kilo leicht, 250 km/h schnell, 270 PS nur auf der Vorderachse. Diese aber dank zweier Abgas-Turbolader förmlich herausgepresst aus einem aufgeblasenen Vierzylinder mit gerade mal 1,6 Liter Hubraum.
Dieses Auto ist wahrlich ein Familien-Ableger mit einer Attitüde, die völlig aus der Art des bisher da Gewesenen schlägt. Lang, flach, geduckt, als Abschluss ein dezenter Heckbürzel. Wie ein Panther auf dem Sprung. Dazu auf dem Dach eine ziemlich sinnlos anmutende Rinne, die zudem von zwei lasziv erotischen, wohl proportionierten, Backen eingegrenzt wird. Sowas soll „a Päscho“ sein? Ach herrje! Oder, wie es der gemeine Saarländer in feinstem Heinz-Becker-Jargon formulieren würde: „Joh, geh fodd!“
Im Interieur glänzt der französische Beau mit vorzüglich konturierten Alcantara-Sitzen und roten Ziernähten. Passend dazu eine Alu-Pedalerie mit Noppen, Rundinstrumente und – wohl als Reminiszenz an Konzern-Modelle aus der Louis-de-Funès-Ära –wahrhaftig eine mittig platzierte Analog-Uhr. Die beiden hinteren Sitze, die man irgendwann zwangsläufig doch entdeckt, eignen sich im Übrigen vortrefflich fürs Mutter- und-Kind-Turnen. Mit einer kleinen Einschränkung allerdings: Mutter vorn, Kind hinten.
Bei derlei optischer Verführung sollte, nein darf, der Fahreindruck mit diesem „TGV für die Straße“, nicht enttäuschen. Zunächst ein Wort zu den eventuell verheerenden Auswirkungen der eben so harten wie verdammt kurzen Federwege. Insassen im fortgeschrittenen Lebensalter sollten sich vor Fahrtantritt von der uneingeschränkten Funktionstüchtigkeit eventueller Hilfsmittel wie Kukident oder Pattex überzeugen. Ansonsten könnte es passieren, dass bei hurtiger Fortbewegung und allzu holprigem Untergrund die dritten Zähne und / oder mobile Haarteile durch den chicen Innenraum fliegen und den Fahrer in seiner Konzentration nachhaltig beeinträchtigen. Man kann es auch etwa anders ausdrücken und so formulieren: Manchen geht nix über knüppelhart.
Im Fahrverhalten verbreitet der RCZ-R richtigen Rennsport-Charakter. Da der Antrieb neben einer elektronischen Traktionskontrolle auch von einer Torsensperre (Ausgleichsgetriebe) im Zaum gehalten wird, geht die Kraft dorthin, wo sie hin soll: auf die Vorderräder, wo sie ohne den Verlust von Kraftschluss in Vortrieb umgesetzt wird. Dank der sehr direkten, keineswegs leichtgängigen Lenkung entsteht so ein unmittelbarer Kontakt zu einem Fahrzeug mit riesigem Spaßfaktor. Leichte Lastwechsel-Reaktionen konnten wir bestenfalls bei abgeschaltetem ESP und feuchter Fahrbahn erahnen. Insgesamt eine Glanzleistung der Ingenieure, ein Fahrzeug mit einer durchaus gewollten „Zwangsbeatmung“ zu versehen und dann die Kraft derart auf die Straße zu bringen. Erlaubt sei indes dennoch die Frage nach den Beweggründen, die zum Verzicht auf einen (permanenten) Allradantrieb geführt haben.
Bei allen Sportwagen-Qualitäten hat der Peugeot RCZ-R allerdings auch eine hohe Alltags-Tauglichkeit. Dazu gehören neben der Bummelfähigkeit des erstaunlich elastischen Triebwerkes eine umfangreiche Serienausstattung mit vielen Assistenzsystemen, (u. a. Reifendruck-Sensoren, Einparkhilfe), dynamisches Kurvenlicht, Klimaautomatik, Infotainment. Die Rücksitze kann man zudem zugunsten des ohnehin sehr ansehnlichen Kofferraums noch umlegen.
Zum Abschluss sei gesagt: Der Mut eines Autobauers, der seine Brötchen im Laufe von Jahren und Jahrzehnten mit der Produktion von Familienkutschen und praktischen Klein(st)wagen verdient hat, verdient in diesem Falle Anerkennung. Genau so wie die Umsetzung der optischen Vorgaben in pure Fahrfreude, gepaart mit hoher Alltagstauglichkeit. Vergleichbare Angebote zu einem Preis ab 41.800 Euro wie beim RCZ-R zu finden, wird nur schwer gelingen
Oder, wie es der Becker-Heinz im Brustton der Überzeugung formulieren würde: „Awwa hunnert Prozent.“
Text und Fotos: Jürgen C. Braun