Ein Cockpit für die Rallye-WM: Löffelscheid ist stolz auf Claire

Seit Sonntagabend, 16. Februar, steht das kleine Dorf Löffelscheid im Kreis Cochem-Zell an der Mittelmosel Kopf. Und das ist ganz alleine die „Schuld“, oder besser das Verdienst, von Claire Schönborn. Die 25jährige Motorsportlerin, eine bis Mitte vergangenen Jahres zwar sehr talentierte und erfolgreiche Motorsportlerin bei Bergrennen, aber über die lokalen und regionalen Bekanntheitsgrenzen noch nie hinausgetreten, stellte von Donnerstag bis Sonntag die Rallye-Welt auf den Kopf. Bei der Rallye Schweden, dem zweiten Lauf zur Rallye-Weltmeisterschaft, sicherte sie sich an der Seite ihrer Co-Pilotin Jara Hain (25, Göttingen), das letzte verbliebene Cockpit für die Junior Rallye Weltmeisterschaft 2025.

Eigentlich eine unglaubliche Geschichte. Ein Märchen, das mit Claires Gewinn des KW-Bergcups im vergangenen Jahr begann. Als erste weibliche  und zudem jüngste Pilotin dieses „Bergrennen-Oscars“  überhaupt. Aufgrund dessen erhielt die junge Frau, die als Systemingenieurin bei einem Automobil-Zulieferer arbeitet, eine Einladung zu einem Sichtungslehrgang der Rallye-Granden.

Dabei setzte sie sich unter 15 Konkurrentinnen weltweit für einen Start beim WM-Lauf 2024 im Dreiländereck Deutschland-Österreich-Tschechien durch. Wobei sie auf Anhieb derart überzeugte, dass es in der vergangenen Woche in Schweden zu einem Stechen zwischen ihr und der Belgierin Lyssia Baudet um das Fördercockpit in der Junior-Weltmeisterschaft 2025 kam.

Im Land von Smörebröd und Pippi Langstrumpf fuhr Claire beim anspruchsvollsten WM-Lauf auf Eis und Schnee ihrer Konkurrentin um rund drei Minuten davon. Im Rallyesport eine Welt. Was bedeutet, dass sie an der Seite von Jara Hain auch noch die restlichen WM-Läufe in Griechenland, Portugal, Finnland, Tschechien und Deutschland in diesem Jahr bestreiten wird.

Am Sonntag war die für den HAC Simmern startende Sportlerin, im Ziel in Umeå, einer 115.000-Einwohner-Stadt rund 600 Kilometer nördlich von Stockholm, baff:  “Ich kann nicht in Worte fassen, was in mir vorgeht. In den vergangenen Monaten ist so viel so schnell passiert, dass ich Zeit brauchen werde, um alles zu verarbeiten. Vor einem halben Jahr bin ich meine allererste Rallye gefahren, und jetzt starte ich in der Weltmeisterschaft. Hätte mir das jemand im letzten Sommer prophezeit, hätte ich ihn für verrückt erklärt.“

Zuvor musste Claire aber noch „bei den Elchen“ erst mal lernen, wie Rallye fahren auf Eis und Schnee sich anfühlt. Eine Grundvoraussetzung, um überhaupt in Schweden starten zu können. Bei einem Winter-Fahrtraining in Finnland lernte sie von keinem Geringeren als dem zweifachen Weltmeister Marcus Grönholm, dann startete sie als Vorausfahrzeug bei der Arctic Lapland Rallye und es folgten noch drei spezielle Trainingstage in Norwegen. „Diese Vorbereitung war extrem wertvoll. Ich bin ja zur noch nie auf Spikes gefahren und musste mich erst mal an das Griplevel herantasten.“

Von lokalen und regionalen Bergrennen geht es jetzt also in die große weite Rallye-Welt. Dort wird sie in der Teilnehmerliste mit Größen wie dem mehrfachen Weltmeister Sébastien Ogier (Toyota) und dem amtierenden Titelträger Thierry Neuville (Hyundai) stehen. Ein Märchen, das für sie in einem Ford Fiesta, einem 235 PS starken 1,5-Liter-Dreizylinder-Turbomotor und Allradantrieb, in Erfüllung gegangen ist.

Text: Charlys Autos / Bilder: Red Bull Newspool