Ganz ehrlich, lieber Leser: Würden Sie ernsthaft daran denken, sich ein Fahrzeug an zu schaffen, das einen Kofferraum von knapp elf Litern hat(reicht kaum für eine Damen-Handtasche, habe ich mir sagen lassen), und für dessen Besitz Sie beim Hersteller auch noch eine Online-Bewerbung über sich ergehen lassen müssen, um überhaupt in das Vergabe-Verfahren aufgenommen zu werden? Nein, wir sprechen hier nicht von einem Ferrari oder einem „Lambo“ mit einer limitierten Sonderauflage, sondern von einem Ford. Von DEM schlechthin: Zwei Buchstaben zeichnen ihn aus, sagen aber längst noch nicht alles über seine Faszination: GT. Ford GT
Wenn der Begriff „Rennwagen mit Straßenzulassung“ jemals zugetroffen hat, dann jetzt: Ford selbst nennt dieses Fahrzeug, das seinen angestammten Platz eigentlich in der FIA GT1 Weltmeisterschaft hat, nicht umsonst Super-Sportwagen. Es sind zwar auch, aber nicht nur die nackten Daten, es ist nicht nur die einzigartige „Flunder-Optik“, die dem Ford GT diese Bezeichnung verleiht: Es ist das ultimative, ungezähmte und brachiale Fahrerlebnis, das keine Milli-Sekunde Unaufmerksamkeit verzeiht. Denn wenn knappe 1400 Kilogramm leichtesten Materials mit einer Nennleistung von 655 PS bei 6250 Umdrehungen pro Minute in die horizontale Umlaufbahn gebracht werden, um dabei – im besten oder erschreckendsten Fall – eine Geschwindigkeit von 348 Kilometern in der Stunde zu erreichen, dann hat das mit „gewöhnlichem“ Autofahren so wenig zu tun, wie eine Apfelernte auf der Leiter mit der Erstbesteigung des Mount Everest
Weshalb mir die Gelegenheit, diesen Ausbund an Furcht erregender Schönheit einmal auf Land- und Kreisstraßen, aber auch auf freier Autobahn erproben zu dürfen, Bammel und Respekt gleichermaßen abnötigte. Gebaut wird der GT in Markham (Kanada). 1000 Exemplare waren für die Homologation (Straßenzulassung) nötig. Die waren rasend schnell weg, Ford hätte sieben oder gar acht Mal mehr verkaufen können. Jetzt sollen noch einmal 350 Stück nachgelegt werden, deren zukünftige stolze Besitzer nach einem strengen Auswahlverfahren ermittelt werden. Steinreich zu sein allein genügt also nicht. Denn der „Basispreis“, so dieses Wort denn in diesem Zusammenhang erlaubt sein mag, der dritten GT-Generation liegt in Deutschland bei etwa 550.000 Euro.
Für Puristen völlig undenkbar ist die Wahl des Triebwerks: Der neue GT wird erstmals nicht von einem Achtzylinder mit Hubraum „ohne Ende“, sondern von einem V6 Biturbo mit dreieinhalb Litern großzügig beatmet. V6 Eco-Boost nennt sich dieses Aggregat, das übrigens auch in einem Pick-Up Verwendung findet: 60 Prozent der Motorbauteile von GT und Ford Raptor sind identisch.
Wenn die Tür über dem Kopf „baumelt“, statt zur Seite zu schwingen, ist der Einstieg schon etwas gewöhnungsbedürftig. Ist man erst einmal drin in diesem Sitz, der eher einer Pilotenkanzel ähnelt, wird der Blick frei auf ein an Instrumenten arg spartanisch anmutendes Cockpit. Angezeigt wird, was mit der Hauptsache dieses Automobils zu tun hat: mit dem Fahren. Großer Drehzahlmesser und Tacho. Letzterer in Meilen, ganz verschämt in etwas kleineren auch in Kilometer-Angaben.
In diesem Auto, das merke ich schnell, ist nichts normal: Beim Finden der idealen Sitzposition registriere ich, dass beide Schalensitze miteinander fest verbunden sind. Ziehe ich an einer kleinen Schlaufe rechts des Mitteltunnels, bewegt sich de Pedalerie in dem Carbon-Monocoque vor und zurück. Muss man aber erst einmal drauf kommen. Fünf Fahrmodi, so klärt mich der Renn-Ingenieur auf dem Beifahrer-Sitz auf, stehen zur Verfügung. (Wet, Normal, Sport, Track und Highspeed). Von letzterer, denke ich bei mir, lasse ich – beim ersten Mal zumindest – die Finger. Das Siebengangs-Doppelkupplungs-Getriebe wird mit einem Dreh-Wahlknopf („Electronic Shifter“) statt Gang-Wahlhebel bedient. Geblinkt wird mittels Druckknopf am Lenkrad, wo ohnehin die wichtigsten Funktionen angebracht sind. Kurz für dreimal. Lang für permanent.
Weiß ich jetzt alles, was ich wissen muss, um dieses Monstrum zu bewegen? Wir werden sehen: Dan also den roten Startknopf drücken. In der ersten Fahrstufe fährt sich der GT völlig zahm. Doch im Innenraum wird es sofort infernalisch laut. Kein Wunder, denn Material zum Dämmen hat man sich gespart. Warum auch? Ist ja keine Komfortzone, sondern ein Rennwagen für die Straße.Rückmeldung an das fast viereckige Alcantara-Lenkrad und die Gas-Annahme sind brutal direkt. Ich konzentriere mich völlig auf das, was dieses Monster an Leistung zunächst mit mir macht und darauf, wie ich es anstellen will, dass der V6 Biturbo da vorne macht, was ich will. Kleine Lichtblitze, signalisieren mir den perfekten Sekundenbruchteil zum Schalten.
Allmählich wird das was zwischen uns Beiden, merke ich. Nach 15 Minuten des aneinander Gewöhnens auf der Landstraße geht es auf die Autobahn. Wir müssen irgendwie akustisch und optisch Furcht erregend wirken. Wenn der Spoiler im Heck kurz und knapp ausfährt, sich das infernalische Pfeifen des Turboladers überträgt und diese gelbe Gefahr im Rückspiegel den „restlichen“ Verkehr achtungsvoll einscheren lässt. Haue ich in die Eisen der Keramik-Bremsen, funktioniert der Spoiler übrigens auch als „Airbrake“. Wie so eine Art Fallschirm.
Ich habe das Gefühl, auf Kieselsteinen zu reiten. So ungefähr muss sich die einschlägig bekannte „Prinzessin auf der Erbse“ vorgekommen sein. Wir haben Glück, die Bahn ist einigermaßen frei, oder wird ehrfurchtsvoll frei gemacht. „160“ sagt mir der Tacho. „Geht ja noch“, denke ich, bevor mir klar wird: Das ist die Meilen-Anzeige. Schnell umrechnen im Kopf: „250!“.
Na gut, das ist schon eine andere Hausnummer, Was bitte schön, mache ich denn mit den 100 km/h, die ich noch „in Reserve“ habe? Alleine bei dieser Vorstellung meldet sich meine Magengrube. Irgendwie habe ich das Gefühl, als müsste ich beim Rodeo ein Wildpferd einreiten. Nach insgesamt einer halben Stunde ist der Spaß – je der war es, wenn auch ein anstrengender – vorbei.
Ob ich auf die Online-Plattform gehe, um mich zu bewerben? Wenn sie das tun wollen, lieber Leser, dann machen Sie es doch einfach. Und erzählen Sie mir, was dabei rum gekommen ist. Gehen Sie einfach auf www.fordgt.com
Technische Daten Ford GT
Motor: V6-Biturbo
Hubraum: 3497 ccm
Leistung: 655 PS bei 6250 U/min
max. Drehmoment: 746 Nm bei 5900 U/min
Beschleunigung: 0-100 km/h in 2,8 Sekunden
V-Max: 348 km/h
Gewicht: 1385 kg (Leergewicht)
Kofferraum: 11,5 Liter
Verbrauch: 20,2 l/100 km
Preis: ab 550.000 Euro