Wenn eine Veranstaltung von sich behauptet, das „größte Rennen der Welt“ zu sein, dann zeugt das nicht gerade von fehlendem Selbstvertrauen. Aber wenn man dann noch nicht nur dabei, sondern mitten drin ist, dann ist das eine richtig geile, packende Geschichte. Und, um die Vorfreude noch zu toppen, das Ganze in einem Auto, das es richtig in sich hat und zudem noch eine neue Ära bei einem der weltweit größten Autobauer einläutet. Also fangen wir doch mal an.
650 PS, 260 km/h schnell, Batterie mit nutzbarer Kapazität von 80 kWh: Das sind die nackten Zahlen, des ersten Elektro-Hochleistungs-Serienautos von Hyundai: Der IONIQ 5 N schreibt also Geschichte. Das, was die Koreaner bei ihren vier Verbrennermodellen i20, i30, i30 Fastback und Kona schon mit einer „N“-Variante, also einem besonders sportlichen Fahrzeug einer Baureihe, umgesetzt haben, wollen und werden sie jetzt auch bei den Elektro-Fahrzeugen fortsetzen.
Der 2,2 Tonnen schwere IONIQ 5 N ist im Vergleich zum normalen IONIQ 5 acht Zentimeter länger, fünf Zentimeter breiter und zwei Zentimeter flacher. Steigen wir doch direkt mal ein: Im Cockpit findet man, eingebettet in körperbetonte Fahrersitze, neben dem Sportlenkrad einen Drivemode-Knopf: Und zwar für Komfort, sportlich und sehr sportlich. Die volle Leistung bekommt man über einen roten Knopf, den sogenannten „N-Booster“. Für den Vortrieb sorgen zwei Elektromotoren, einen an der Vorder- und einen an der Hinterachse, was permanenten Allradantrieb garantiert. Mit einem Extraboost von 41 PS für zehn Sekunden leistet der IONIQ 5 N die eingangs erwähnten 650 PS und 770 Newtonmeter Drehmoment. Bei 260 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit abgeriegelt.
Zur Optik: Seitliche Airblades, die die Luft an der Seite vorbeileiten sollen, weisen auf den sportlichen Charakter hin. Der Motor braucht zwar keine Kühlung, aber da der ganze Batterie-Pack ein High Performance Aggregat ist, wurden auch drei statt nur zwei Kühleinheiten verbaut. Je nach Bedarf regelt das eine Klappensteuerung. Für die möglichst kräftige Verzögerung dieser Masse sorgt nicht nur die Rekuperation, sondern vor allem eine Hochleistungsbremsanlage.
40 dieser Debütanten im bekannten „N“-Hellblau schickte Hyundai rund zwei Stunden vor dem Start des 24h-Rennens 2024 auf der Nürburgring Nordschleife und Grandprix-Strecke in die „freie Wildbahn“ mitten in der Eifel. Bevor aber die Profis in ihren Verbrenner-Hochleistungsboliden auf die Strecke gingen, waren wir erst mal dran: Im elektrischen Renntrimm so zusagen. Kein Rennen zwar, aber zeigen, was in den E-Flitzern steckte, das wollten wir vor dieser atemberaubenden Kulisse, an vier Tagen geschätzte 240.000 Fans an der Strecke, schon.
Die Mitteilung einer jungen Amazone „Ich fahr Dich heute“, sorgte nicht nur dafür, dass wir uns hinten auf Videos und Bilder aus dem geöffneten Fenster heraus konzentrieren konnte, sondern steigerte auch die Vorfreude. Zumal wir nach der Mitteilung unserer Taxifahrerin, dies sei heute ihre erste Nordschleifen-Fahrt, und ihr erstes 24h-Rennen, mit unserer Ortskenntnis prahlen konnten.
Raus geht’s im Renntrimm-Gänsemarsch unserer 40 hellblauen Hyundai IONIQ 5 N und ich lasse mich von hinten vernehmen, „Hier gehen wir jetzt von der Grand-Prix-Strecke auf die Nordschleife. Vorbei an der Sabine-Schmitz-Kurve Richtung Hatzenbach.“ Man muss ja schließlich erzählen, was man alles weiß. Und ich merke von Beginn an zweierlei: Dieser Elektro-Überflieger mit seiner Hochleistungs-Bremsanlage, den Hyundai größtenteils hier auf der Nordschleife abgestimmt hat, zeigt von Beginn an, was in ihm steckt. Und er lässt es auch hören. Denn das „N Active Sound“-Modul gibt den Hardcore-Petrolheads, das, was sie haben wollen: Nämlich was auf die Ohren.
Madame vorne am Sportlenkrad mit genopptem Leder und Sportknöpfen des IONIQ 5 N lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass das ihre erste Bewältigung der Nürburgring-Nordschleife ist. Sie bedient sich eines gepflegten Gasfußes und ich mache von hinten den Guide so gut es geht. „Jetzt sind wir in der Fuchsröhre.“ Was ich ihr vorenthalte, ist Folgendes: Hier sagt das Frühstück schon mal „Hallo, da bin ich wieder“, wenn man mit Verve auf der im Winter mit frischem Asphalt ausgestatteten Strecke reingerauscht ist.
„Das hier ist jetzt Breidscheid. Die tiefste Stelle. Der Nordschleife.“ Kurz darauf das Bergwerk, wo Niki Lauda 1976 seinen schweren Unfall hatte. An uns vorbei rauschen die Zeltstädte der Zehntausende von Fans. Zuschauer-Hotspots wie Adenauer Forst, Brünnchen oder Schwedenkreuz sind rappelvoll. Am Caracciola-Karussell erzähle ich, dass man – je nach Gusto und Erfahrung – oben bleiben oder unten fahren kann, bevor es auf den höchsten Punkt der Strecke geht: Die „Hohe Acht.“ Vorbei an Hedwigshöhe, Wippermann, Brünnchen und Pflanzgarten winkt uns nach dem kleinen Karussell schon die Ausfahrt am Rande der Döttinger Höhe.
Danke für eine tolle Taxifahrt in einem ab sofort bestellbaren Elektroauto, das für diesen Kurs wie geschaffen ist. Und das mit einem Preis von 74.900 Euro sehr konkurrenzfähig im Vergleich zum Wettbewerb ist.
Text: Charlys Autos – Fotos: Charlys Autos / Christoph Goeckel